Saarland-Impakt: erste Altersdatierung (Obergrenze)
Im Herbst 2016 beobachtete Werner Müller aus Nalbach, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Landesdenkmalamt des Saarlandes, beim Ausheben der Baugrube für ein neues großes Geschäftshaus in der Ortsmitte von Nalbach die Freilegung menschlicher Skelette. Die sofort vom Landesdenkmalamt unter Leitung von Prof. Dr. Adler eingeleiteten Ausgrabungen brachten für die früheste Ortsentwicklung von Nalbach umfangreiche und bedeutsame Funde und Befunde. Ausgegraben wurden Mauerreste und Fundamente, die wegen der begleitenden Keramik in das Hochmittelalter (11. bis 12.Jh.) gestellt werden und möglicherweise die Existenz einer frühen romanischen Kirche in Nalbach belegen können.
Ein Glücksfall war die Ausgrabung nicht nur für die Archäologen, sondern auch für Werner Müller. Er war es, der 2009 bei seinen archäologischen Geländebegehungen zum ersten Mal auf eigenartige Gläser und Schmelzgesteine im Raum Nalbach stieß, womit er die Forschungen zum sogenannten Saarland-Impakt bzw. Nalbach-Impakt, also zu den gewaltigen Auswirkungen beim Absturz eines kosmischen Projektils begründete (Müller 2011, 2012, Buchner et a. 2011, Schmieder et al. 2011, Berger 2014, Berger et al. 2015, Ernstson et al. 2013) und als Entdecker dieses in Deutschland weiteren Großmeteoriten-Einschlags (nach Ries, Steinheimer Becken und Chiemgau-Impakt) gilt.
Skeptische bis ablehnende Meinungen, nicht nur von den bekannten selbsternannten „Experten“ in Internet-Blogs, sondern auch von manch universitärer Seite, brachten regelmäßig die Industrie ins Spiel. Endgültig bewiesen wurde das Impaktereignis, als in einer Diplomarbeit an der Universität Trier, die sich gezielt mit den Funden von Werner Müller und dem postulierten Impakt beschäftigte, der Nachweis von extrem starken Schockeffekten (Schockmetamorphose) in den gesammelten Gläsern und Gesteinen erbracht wurde (Berger 2014, Berger et al. 2015). Solche Belege extremer Drücke und Temperaturen gelten als eindeutiger und unbestrittener Beweis für einen meteoritischen Impakt.
Die Impakt-Funde von Nalbach meist in wenigen Dezimetern Tiefe und die Frische der Impaktgläser deuteten auf ein relativ junges Impaktereignis, vermutlich im Holozän (< 10 000 Jahre), wobei die große Ähnlichkeit mit Funden im Areal des Chiemgau-Impaktes, der in die Bronzezeit/Keltenzeit datiert (z.B. Ernstson et al. 2010, 2012, Liritzis et al. 2011, Rappenglück et al. 2011), schon relativ früh an ein mögliches synchrones Einschlagereignis denken liess (z.B. Ernstson et al. 2013).
Die archäologische Ausgrabung von Nalbach hat nunmehr ein genauer zu bezifferndes Mindestalter erbracht, das z.B. alle Versuche, die Impakt-Funde als anthropogen und in das Industriealter gehörig abzutun, scheitern lässt.
Impakt-Entdecker Werner Müller, ehrenamtlich auch bei der Ausgrabung Nalbach engagiert, macht eine weitere Entdeckung, die vorerst noch nicht archäologisch bedeutsam erscheint, aber die Impakt-Forschung sofort aufhorchen lässt. In rund 2 m Tiefe der Ausgrabung, in Höhe der hochmittelalterlichen Mauern und Fundamente und vermischt mit datierbarer hochmittelalterlicher Keramik und Knochen menschlicher Skelette können typische Impakt-Materialien (Gläser, Brekzien, Chiemit), wie sie Werner Müller von den oberflächennahen Bodenschichten so sehr gut kennt, gemeinsam mit den ausgrabenden Archäologinnen geborgen werden. Damit ist bewiesen, dass der Impakt mindestens rund 1000 Jahre alt ist, mangels historischer Überlieferung eines solch zerstörerischen Ereignisses vermutlich aber älter.
Interessant in dem Zusammenhang ist, dass zusammen mit dem Impakt-Material (Abb. 2-8), der Keramik, geschmiedeten Nägeln und Glasscherben (Abb. 1), auch das Randfragment eines Bronzegefäßes mit sehr alter Patina sowie ein Silex(Flint)-Abschlag gefunden wurden. Da Silex in der Region geologisch nicht vorkommt, dürfte es sich um ein wohl steinzeitlich oder bronzezeitlich „importiertes“ Stück handeln. Wieweit Bronze und Silex ein Fingerzeig auf eine bessere zeitliche Stellung des Impaktes sind, muss offenbleiben.
Abb. 1. Archäologische Objekte der Ausgrabung Nalbach (ca. 2 m Tiefe).
Abb. 2. Zusammen mit den archäologischen Funden: polymikte Brekzie.
Abb. 3. Zusammen mit den archäologischen Funden: schwarzes Glas.
Abb. 4. Zusammen mit den archäologischen Funden: polymikte Brekzie.
Abb. 5. Zusammen mit den archäologischen Funden: schlackeartiges Brekziengestein mit Glas.
Abb. 6. Zusammen mit den archäologischen Funden: polymikte Brekzie mit reichlich Glasfragmenten.
Abb. 7. Zusammen mit den archäologischen Funden: Chiemit (Ernstson et al. 2013) mit Gesteinsfragmenten.
Abb. 8. Zusammen mit den archäologischen Funden: Detail der Chiemit-Komponente von Abb. 7 mit typischem Gefüge (Abb. 9).
Abb. 9. Typisches Gefüge des Chiemits vom Saarland- und Chiemgau-Impakt. REM-Aufnahme, ca 3 mm breit.
Literatur
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Ernstson, K., Mayer, W., Neumair, A., Rappenglück, B., Rappenglück, M.A., Sudhaus, D. and Zeller, K.W. (2010): The Chiemgau crater strewn field: evidence of a Holocene large impact in southeast Bavaria, Germany. – Journal of Siberian Federal University, Engineering & Technology, 1 (2010 3) 72-103.
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I. Liritzis, N. Zacharias, G.S. Polymeris, G. Kitis, K. Ernstson, D. Sudhaus, A. Neumair, W. Mayer, M.A. Rappenglück, B. Rappenglück (2011): THE CHIEMGAU METEORITE IMPACT AND TSUNAMI EVENT (SOUTHEAST GERMANY): FIRST OSL DATING. -Mediterranean Archaeology and Archaeometry, 10,17‐33.
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Barbara Rappenglück, Michael A. Rappenglück, Kord Ernstson, Werner Mayer, Andreas Neumair, Dirk Sudhaus & Ioannis Liritzis (2010): The fall of Phaethon: a Greco-Roman geomyth preserves the memory of a meteorite impact in Bavaria (south-east Germany). – Antiquity, 84, 428-439.
M. Schmieder, W. Müller and E. Buchner (2011): NALBACH (SAARLAND, GERMANY) AND WABAR (SAUDI ARABIA) GLASS – TWO OF A KIND? -Meteoritical Society Meeting, abstract, 5059.pdf.