Die Wissenschaft von meteoritischen Einschlägen auf der Erde begann vor gut 100 Jahren mit der Diskussion um den Barringer-(Meteor-)Krater in Arizona, USA, mit den folgenden großen Kontroversen in der Geologie, ob Kraterstrukturen einen endogenen (also im Erdinneren angelegten) oder einen kosmischen Ursprung haben. In Deutschland war es die erbittert geführte geologische Kontroverse um die Entstehung des Nördlinger Rieskraters und des Steinheimer Beckens, die erst vor nicht einmal 50 Jahren zugunsten eines Großmeteoriteneinschlags entschieden wurde.
Heute versteht die Wissenschaft die Physik, Geologie und Mineralogie solcher Einschläge sehr gut und kennt Kriterien, mit denen diese Genese zweifelsfrei bewiesen werden kann. Trotzdem: Es gibt auf der ganzen Welt noch immer Geologen, die mit dieser Materie ihre Probleme haben und sich gerne bei neu entdeckten Strukturen auf eine Entstehung im Rahmen der ihnen vertrauten regionalen Geologie versteifen. Auch in Deutschland gibt es trotz der Erfahrungen mit Ries und Steinheimer Becken weiterhin lokale und regionale geologische Opposition gegen moderne Erkenntnisse der Impaktforschung, was in den letzten 10 Jahren im Zusammenhang mit dem mittlerweile etablierten Chiemgau-Impakt einmal wieder offenkundig wurde.
Eines der ganz wesentlichen Kriterien bei der Identifizierung authentischer Impaktstrukturen sind die Auswirkungen extremer Drücke (viele hundert Kilobar bis zu Megabar) und extremer Temperaturen (bis zu vielen tausend Grad) die sich den Gesteinen des getroffenen Untergrundes mitteilen.
Solche bei einem meteoritischen Einschlag entstehende Schockeffekte (Schockmetamorphose) lassen sich gemäß einschlägiger Forschungen in Gruppen abnehmender Schockintensitäten mit abnehmenden Drücken und abnehmenden Temperaturen einteilen. Hintergrund ist, dass bei einem Impakt bei der Kollision von kosmischem Projektil und Erdoberfläche vom Kontakt aus Schockwellen sowohl in den Meteoriten als auch in den getroffenen Untergrund laufen. Im ersten Moment sind die Drücke und Temperaturen in den Schockwellen-Fronten derart hoch, dass Meteorit und ein vergleichbar großes Gesteinsvolumen des Untergrundes einfach verdampfen. Vom Einschlagskörper wird man deshalb nichts mehr finden. Im Gesteinsuntergrund geht beim Fortschreiten der Schockfront die abnehmende Schockintensität mit reduzierten Temperaturen einher, sodass das Gestein nur noch geschmolzen wird. Schmelzgesteine und bei rascher Abkühlung Gesteinsgläser sind das typische Ergebnis beim Impakt. Bei weiter abnehmenden Schockintensitäten reichen die Temperaturen für ein Schmelzen nicht mehr aus, aber die Drücke sind noch hoch genug, um charakteristische Veränderungen in Mineralen hervorzurufen. Dabei gibt es Erscheinungen, die nach heutigem Kenntnisstand nur bei einer Schockdeformation in einem Impaktereignis auftreten können und mithin beweiskräftig sind. Solche beweisenden Befunde aus Mikroskop-Dünnschliffaufnahmen werden nachfolgend mit kurzen Beschreibungen vorgeführt (Bilder und Textpassagen vorwiegend aus der Diplomarbeit N. Berger). Die Bildgrößen bewegen sich, wenn nicht speziell angegeben) im Bereich einiger 100 µm bis zu 2 mm.
Impakt-Schmelzgläser
Zum Aufschmelzen ganzer Gesteine mit allen Mineralphasen sind Temperaturen von grob 2000°C nötig; einzelne Minerale wie Feldspäte schmelzen bei rund 1200°C. Sie werden bei Schockdrücken von 500 – 600 Kilobar (= 50-60 Gigapascal) nach der Druckentlastung in der Schockfront erreicht.
Abb. 1. Kontakt zweier Gesteinsarten in einem grünen Glas; im unteren Glas Fließstrukturen, Mineralbruchstücke und metallische Sphärulen.
Abb. 2. Mit Glas gefüllter Riss in einem Quarzit.
Abb. 3. Löcher und Einschlüsse in makroskopisch blauem Glas.
Hochtemperatur-SiO2 und Ballenstrukturen
Als reine Hochtemperaturformen der Kieselsäure SiO2 können sich beim Impakt die Modifikationen Cristobalit und Tridymit bilden. Die beiden Minerale kennt man vor allen auch aus vulkanischen Gesteinen. Im Rahmen einer Schockmetamorphose bildet sich Cristobalit bei ca. 1700°C aus Quarz in einem charakteristischen Ballengefüge.
Abb. 4. Aus einem blauen Glas von Nalbach: dachziegelartige Ballenstrukturen: linear polarisiertes Licht und gekreuzte Polarisatoren. Ein fundamentales Merkmal für den Übergang von Quarz zu Cristobalit stellt die Ausbildung eines ballenartigen Gefüges dar. Eine solche dachziegelartige Ballenstruktur gilt nach neueren Untersuchungen (Ferrière et al. 2009) als diagnostisch für Impaktereignisse. In den Impaktgläsern von Nalbach sind Ballenstrukturen ein häufiges Merkmal.
Abb. 5. Cristobalit in Form von Ballenstrukturen (siehe Abb. 4) übergehend in Tridymit; gekreuzte Polarisatoren und ganz leicht gekreuzte Polarisatoren; Bildbreite 1,4 mm. Der unmittelbare Übergang von Ballen-Cristobalit in Tridymit kann mit unterschiedlicher Schock-Erhitzung oder Abkühlung des Quarzkornes erklärt werden.
diaplektische Gläser
Diaplektische Gläser sind eine Besonderheit unter den Impakt-Schockeffekten, weil sie nur unter eben diesen Bedingungen entstehen können. Es sind keine Schmelzgläser im herkömmlichen Sinne. Sie entstehen bei enormen Schockdrücken, bei denen das Kristallgitter eines Minerals (z.B. Quarz, Feldspat) völlig zusammenbricht. Der Name „Glas“ bezieht sich auf die optischen Eigenschaften, da es unter dem Polarisationsmikroskop optisch isotrop ist, sich also wie ein Schmelzglas verhält, und bei gekreuzten Polarisatoren auslöscht. Diaplektische Gläser behalten im Gegensatz zu Schmelzgläsern die Mineralkorngrenzen und Bruchstrukturen und haben keine Fließstrukturen.
Abb.6. Quarzit, mehr oder weniger vollständig umgewandelt in diaplektisches Glas.
Abb. 7. Quarzit mit diaplektischem Quarzkorngefüge; gekreuzte Polarisatoren.
Abb. 8. Diaplektische Sanidin-Kristalle im Quarzit; links bei linear polarisiertem Licht und rechts bei gekreuzten Polarisatoren; Bildbreite 560 µm. Unten Nahaufnahme eines diaplektischen Sanidin-Kristalls.
„getoasteter Quarz“
Ein weiteres Schockmerkmal (Ferrière et al.2009) ist sogenannter „getoasteter“ Quarz (engl. toasted quartz), der in vielen Impaktstrukturen identifiziert werden konnte.
Abb. 9. getoasteter Ballenquarz aus einem Nalbach-Impaktglas; linear polarisiertes Licht; Bildbreite 560 µm. Die Toast-Struktur entsteht durch winzigste Flüssigkeitseinschlüsse, die sich während einer Rekristallisationsphase durch das Entmischen von Wassers und Glas (Whitehead et al., 2002) bilden.
Planare Deformationsstrukturen
Zu charakteristischen Schockeffekten in Mineralen gehören verschiedene planare Deformationsstrukturen, die in der Mehrzahl diagnostisch für Schock sind, in Sonderfällen aber auch tektonisch gebildet werden können.
Planare Brüche (Spaltbarkeit) (planar fractures, PF) in Quarz
Abb. 10. Zusammenstellung multipler Scharen von PFs und Flecken diaplektischen Glases in Quarzkörnern des Nalbach-Impaktes; gekreuzte Polarisatoren; Bildbreite jeweils 560 µm.
Abb. 11. Quarzkorn mit einer Vielzahl von Systemen planarer Brüche (PFs), bei denen einheitliche Richtungen farblich einheitlich markiert sind; Bildbreite 560 µm.
Planare Deformationsstrukturen (PDFs, planar deformation features) in Quarz
Planare Deformationsstrukturen in Quarz lassen sich als mehrere, parallel eng nebeneinanderlaufende isotrope Lamellen charakterisieren. Sie orientieren sich nach kristallographischen Ebenen, entstehen bei Schockdrücken von 10-25 GPa. und gelten als diagnostisch für eine Schockbeanspruchung (French & Koeberl, 2010).
Abb. 12. PDFs und PFs (weiße Pfeile) in Quarz. Nalbach. Gekreuzte Polarisatoren.
Abb. 13. PDFs (weiße) und PFs (schwarze Pfeile) in Quarz. Nalbach. Gekreuzte Polarisatoren.
Knickbänderung und planare Elemente in Glimmer
Knickbänder sind charakteristische Deformationsstrukturen, die regelmäßig in geschockten Glimmern von Impaktgesteinen auftreten (Hörz, 1970). Sie formen sich schon bei geringen Schockdrücken durch Gleitungen und Rotationen im Kristall und verlaufen quer zur basalen Spaltbarkeit. Bei sehr starker tektonischer Beanspruchung können sich ebenfalls Knickbänder in Glimmern bilden.
Abb. 14. Oben: unregelmäßig eingebettete Glimmer (Biotite) in polymikter Brekzie vin Nalbach; ganzer Schliff; linear polarisiertes Licht; Bildbreite 48 mm. Unten: Entstehung von Knickbändern.
Abb. 15. Glimmerkorn (Biotit) mit intensiver Knickbänderung (NNW – SSE) quer zur Spaltbarkeit (SW – NE). Gekreuzte Polarisatoren, Bildbreite 750 µm. Die intensive, sehr engständige Knickbänderung spricht gegen eine tektonische und eindeutig für eine Schock-Bildung, zumal die Nalbach-Region geradezu tektonik-arm ist.
Abb. 16. Zwei Glimmer mit mehreren Scharen von PDFs, die die leicht erkennbare Spaltbarkeit queren. Gekreuzte Polarisatoren, Bildbreiten oben 540 µm und unten 1,4 mm
Abb. 17: Zusammenstellung von Schliffbildern, die die Vielfalt von planaren Deformationsstrukturen in Biotiten vom Nalbach-Impakt vermitteln. Die Bildbreiten liegen jeweils bei grob 0,5 mm.
dichte Zertrümmerung von Quarzen
Brüche können sich in Quarzen sowohl durch geringe tektonische Deformation, als auch durch leichte Schockwellen entwickeln (French & Koeberl, 2010). Quarz zeigt hierbei unregelmäßige, gerade bis gekrümmte und zufällig orientierte Frakturen, die sich auch in den umliegenden Körnern fortsetzen können. Da eine Unterscheidung tektonisch –schockproduziert nicht möglich ist (French & Koeberl 2010), gehören hier unregelmäßige Brüche in Quarz zunächst zu vermuteten, wegen der Intensität der Zertrümmerung aber zu wahrscheinlichen Schockeffekten. Wegen der tektonik-armen Region scheint eine tektonische Deformation sogar eher ausgeschlossen.
Abb. 18. Feinste Zertrümmerung eines Quarzkorns bei bestehendem Zusammenhalt der Fragmente; Bildbreite 3mm.
Abb. 20: Ansammlung völlige zertrümmerte Quarze (nahezu pulverisiert); gekreuzte Polarisatoren; Bildbreite 3 mm.
Schockeffekt Spallation in Quarz
Ein in der Impaktforschung bisher kaum beachteter, häufig aber signifikanter mikroskopischer Schockeffekt sind Spallationsbrüche in Quarzkörnern (Ernstson et al. 2001, Ernstson 2011) . Es handelt sich um offene, mitunter auch mit Glas gefüllte Zugbrüche als Folge der Reflexion von (Druck-)Schockwellen an der Kornoberfläche. Die reflektierten Zugwellen reißen das Korn auseinander, wobei aus physikalischen Gründen die Rissgeometrie sehr häufig charakteristisch spiegelbildlich zur reflektierenden Kornoberfläche ausgebildet ist.
Abb. 21. Offene, glasgefüllte Spallationsbrüche in zwei Quarzen, die jeweils in drei größere Fragmente zerteilt wurden. Gekreuzte Polarisatoren, Bildbreite grob 0,8 mm. Für jedes Fragment lässt sich grob eine Symmetrielinie zu den Umrissen aus Kornoberfläche und Spallationsrissen ziehen.
Abb. 22. Wie sich die Bilder gleichen: Quarzkorn mit glasgefüllten Spallationsrissen vom Chiemgau-Impakt. Gekreuzte Polarisatoren, Bildbreite 0,8 mm (Ernstson et al 2010).
Abb. 23. Zusammenstellung von durch Spallation betroffenen Quarzkörnern vom Nalbach-Impakt; gekreuzte Polarisatoren; grob 1,2 mm; blaue Kreuze: einige markierte „Spalls“; rot: Symmetrielinien innerhalb von Spallationsfragmenten.